06. November 2023 · Ellen Riesterer

Die grössten Storyteller aller Zeiten - Teil 1: Karl May

Storytelling: Was wir von den grössten Geschichtenerzählern unserer Zeit lernen & im Business-Storytelling anwenden können. Teil 1 der Blogreihe: Karl May

Carl Friedrich May – aka. Karl May – entführte seine Leser:innen bereits vor über 100 Jahren in den Wilden Westen, in den Orient und nach Mexiko. Ohne jemals dort gewesen zu sein. Wie geht das?

Wenn du ein Fan von Winnetou, Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi bist, dann hast du mich wahrscheinlich direkt ertappt. Karl May hat zu seinen Lebzeiten sowohl die USA als auch den Orient erkundet. Aber diese Reisen fanden lange nach der Veröffentlichung seiner zahlreichen Werke statt, in denen er uns auch heute noch an Orte entführt und diese so detailgetreu beschreibt, dass man den Wüstensand förmlich in den eigenen Schuhen fühlt.

Zudem hat Karl May wahre Helden entstehen lassen, die oft ihre Geschichten direkt mit den Leser:innen teilen. Helden, die auch heute noch vielen Kindern ein Begriff sind, die es aus den Buchseiten auf Leinwände, Theaterbühnen, TV-Bildschirme und Comicheftchen schafften und damals wie heute kontrovers diskutiert werden.

Karl May hat während seiner Schaffensphase weit über 50 Werke verfasst, die schätzungsweise 200 Millionen Mal aufgelegt und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden.

Aber wer war Karl May wirklich? Woher kamen seine Inspirationen? Wie hat er das alles gemacht? Und – ganz wichtig – was können wir für unser modernes Storytelling für Präsentationen, Erklärvideos, Corporate Identity usw. von Karl May lernen?

Auf diese Fragen gehe ich jetzt ein. Wenn du Lust hast, dann komm mit.

 

Karl May: Vom Kleinkriminellen zum Storyteller

Carl Friedrich May – so sein bürgerlicher Name – wurde 1842 im sächsischen Emstal geboren und verstarb 71 Jahre später in Radebeul bei Dresden. Was mich an dieser Person so sehr fasziniert, ist nicht nur sein Talent, grossartige Geschichten zu erzählen, sondern auch seine unleugbare kriminelle Ader, die ihn fast sein ganzes Leben lang immer wieder in Schwierigkeiten gebracht hat. Einige Jahre verbrachte er in Haft. Er war eine Zeit lang vor der Polizei auf der Flucht, sass wieder ein, wurde freigesprochen und drehte dann das nächste Ding.

Ich habe oft gehört, dass May die meisten seiner Werke hinter schwedischen Gardinen verfasst hat, aber das stimmt laut meiner Recherche nicht ganz. Tatsächlich wurde ihm die Leidenschaft zum geschriebenen Wort in seiner Jugend buchstäblich eingebläut. Sein sehr autoritärer Vater wollte eine bessere Zukunft für seinen Sohn (May war der einzige überlebende Sohn von 14 Kindern), und zwang ihn mit harter Hand dazu, wissenschaftliche Bände zu lesen und ganze Bücher abzuschreiben.

Seinen letzten Turn im Zuchthaus machte May von 1870 bis 1874. In dieser Zeit besann er sich auf die Schriftstellerei, die er nach der Entlassung mit einem – meines Erachtens fast übermenschlichen – Eifer bis zu seinem Lebensende verfolgte. Mit dem Gesetz kam er allerdings immer wieder in Konflikt.

Karl Mays Inspiration fürs Storytelling

Mays Faszination für den Wilden Westen und andere exotische Destinationen fing im zarten Alter von zwölf Jahren Feuer. Zu der Zeit arbeite er nach eigenen Angaben in einer Kegelbahn und hörte dort Berichte von Heimkehrern aus der Neuen Welt.

Eine erste Erzählung (Die Rose von Ernstthal) wurde 1875 veröffentlicht und gilt als Startschuss seiner Karriere. Es folgten zahlreiche Werke, deren Blüte die Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Romane darstellen. Dennoch entführt May seine Leser:innen nicht nur in derzeit völlig exotische Länder, sondern schrieb auch viele Werke, die in Deutschland spielten.

Woher Karl May seine Inspirationen nahm, beziehungsweise wie er es so wunderbar schaffte, die Bühnen für seine Erzählungen zu setzen, darüber kann ich nur mutmassen. Ich gehe davon aus, dass die Zeit im Gefängnis seiner Fantasie und Vorstellungskraft viel Nährboden gab. Zudem war May nicht nur ein leidenschaftlicher Leser und – offensichtlich – ein Meister der Recherche. Er hatte eine so blühende Fantasie, die über die Jahre immer mehr mit seiner Realität verschmolz. Dazu gleich mehr.

Was sich aber ganz besonders in seinen Romanen abzeichnet, ist die Erzählweise aus der Ich-Position. Es ist immer ein Protagonist, der uns mit in seine Welt entführt. Sei dies Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi oder der namenlose Ich-Erzähler Charley, dessen Namen wir nur erfahren, weil ihn seine Weggefährten ansprechen.

Und genau das können wir uns für unser Storytelling zunutze machen.

Storytelling aus der Ich-Perspektive

Karl Mays Helden waren in vielen seiner Geschichten auch gleichzeitig die absoluten, unfehlbaren Überhelden. Wenn man sich Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi anschaut, dann wird schnell klar, dass sie sich von ihren maskulinen, harten, fairen und stets gerechten Wesenszügen wie ein Ei dem anderen gleichen. Das gilt auch für Mays anderen Charaktere, deren Wesenszüge sich sehr ähneln und sich im Grunde nur vom Namen her an die jeweilige Bühne der Story anpassen.

Und hier wird es etwas extrem. Der Protagonist der in Deutschland stattfindenden Storys hört auf den Namen «Dr. Karl May», der in Dresden beheimatet ist. Karl May sah sich selbst immer mehr als Old Shatterhand, warf sich gerne die Fransenjacke über, setzte den Cowboy-Hut auf und präsentierte sich so, wie er seinen Lieblingsprotagonisten beschrieb. Mays Ich-Erzähler und sein Autoren-Ich verflossen zunehmend.

So weit musst du nicht gehen. Ausser an Fasching vielleicht. Und auch nur, wenn Cowboy-Outfits dein Ding sind.

Für dein Storytelling – beispielsweise als Teil einer PowerPoint-Präsentation – kannst du hier aber etwas lernen. Geschichten, die aus der Helden-Perspektive erzählt werden, schlagen das Publikum schnell in ihren Bann. Das resoniert von dem Wunsch her, mal in die Haut des anderen zu schlüpfen.

Zudem wirst du als greifbarer. Menschlicher. Gerade wenn es darum geht, dein Expertenwissen zu teilen, weicht die Ich-Perspektive im Storytelling deine Power- beziehungsweise Machtposition auf.

Die Ich-Perspektive deines Publikums

Bei der Vorbereitung einer Präsentation, der Gestaltung deiner Unternehmenswebsite, dem Launch eines Produkts oder bei der Kommunikation deiner Brand – bevor du dich an die Ausarbeitung macht, gilt es zuerst, deine Zielgruppe zu bestimmen und diese zu analysieren. Und das gilt auch und ganz besonders fürs Storytelling.

Nachdem du eine Story kreiert hast, erzähl sie dir selbst. Laut. Mehrmals. Vor dem Spiegel. Oder besser noch: vor einem Testpublikum (Kollegen:innen, Familie, Freunde etc.).

Der Trick besteht darin, deine Story mit den Ohren und Augen deines Publikums zu erleben. Denke daran, was du über dein Publikum in Erfahrung gebracht hast. Zum Beispiel der Bildungsstand, das Alter, die Motivation, das Wissen über dein Fachgebiet usw.

Das Problem mit der Ich-Perspektive ist die Gefahr, schnell überheblich und angeberisch zu klingen. Das mag in einer fingierten Geschichte zu den Wesenszügen des fiktiven Charakters gehören. Aber bei einem Vortrag verstärkst du mit dem Storytelling aus der Ich-Perspektive die ohnehin schon zielgerichtete Aufmerksamkeit auf deine Person um ein Vielfaches.

Es gilt, deine Story, deinen Charakter (Dich!) so zu präsentieren, dass sich dein Publikum damit identifizieren kann, die Kernpunkte gut verständlich sind und der Wert der Story für deine Zuhörerschaft leicht erkennbar ist.

Wenn dein Publikum aber nur ich, ich, ich aus deiner Geschichte heraushört, dann solltest du dir die Basics rund ums Storytelling noch einmal zu Gemüte führen. Und ja. Das ist ein Hinweis auf unser E-Book zum Thema Storytelling, das du dir ganz easy hier herunterladen kannst. 😉

Sitzt deine Story noch nicht?


Ellen

Autor:in

Ellen

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