Überzeugen ist gut. Überreden ist anders.
Wenn du einen Vortrag hältst, dann möchtest du etwas erreichen. Und zwar vornehmlich, dein Publikum zu bewegen: Hin zu einer Entscheidung, zu einer neuen Ansicht oder zu einer anderen Gemütsstimmung. Wenn du das mit fundierten, einleuchtenden Argumenten schaffst, dann ist das natürlich klasse. Dein Publikum entscheidet sich in diesem Fall aus freien Stücken für oder gegen deine Kernaussage. Die persuasive Kommunikation setzt sich dagegen das Ziel, eine Einstellungsänderung der Zuhörer durch Manipulation zu erreichen. Was es mit der persuasiven Kommunikation auf sich hat, wo sie Verwendung findet und wie du sie für deinen kommenden Vortrag nutzen kannst, das erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Welche Macht die persuasive Kommunikation hat, lässt sich schon aus dem Wort „überreden“ (lat. persuadere) herauslesen. Wenn du überredest, dann ist dein primäres Ziel die Beeinflussung hin zu der von dir gewünschten Einstellung oder Entscheidung deines Gegenübers. Mit Verständigung oder Informationsaustausch hat das also nur wenig zu tun.
In unserem Alltag sind wir andauernd diesem Teilgebiet der Rhetorik ausgeliefert. So zum Beispiel im Marketing (ganz besonders im Online-Marketing), in der Politik aber auch – und oft unbewusst – im ganz normalen Dialog mit Freunden, Familie und Kollegen. Sobald etwas verkauft werden soll, bedient man sich der «Überredens-Kunst».
Welche hässlichen Blüten das Überreden, bzw. das Manipulieren, treiben kann, lässt sich gut in der Politiklandschaft betrachten. Sei dies ein Blick zurück zum Zweiten Weltkrieg oder zu den derzeitigen, für viele Menschen verwunderlichen Staatsführungen verschiedener Länder. Aber auch im Bereich des Marketings oder auf Social-Media-Plattformen werden Menschen mit diesem Rhetorik-Stil so weit manipuliert, dass der individuelle Entscheidungsspielraum kaum noch vorhanden ist. In einem sehr lesenswerten Interview der «Zeit» führt der Werbepsychologe Karl Peter Fischer folgende Beispiele auf:
«… Wenn man gar nicht mitkriegt, dass es um Werbung geht. In der Zeitung zum Beispiel glaubt man, bei einem Text handele es sich um einen redaktionellen Beitrag; tatsächlich aber ist es Werbung. Oder online: Man googelt und merkt gar nicht, dass die ersten Treffer Anzeigen sind, sogenannte Google AdWords. … Die meisten Menschen wissen nicht einmal, dass es sich um gekaufte Anzeigen handelt. Oder denken Sie an die Influencer in den Social-Media-Kanälen. Empfehlen die von sich aus Produkte? Oder bekommen sie die Produkte geschenkt? Verdienen sie Geld damit?»
Diese Art der Kommunikation nun völlig zu verteufeln, ist natürlich Nonsens. Das Überreden ist Teil eines jeden Verkaufsgesprächs, eines Pitchs, usw. Schliesslich empfinden wir es als Verbraucher in abgeschwächter, gut gemachter Form auch ziemlich cool, manipuliert zu werden. So lassen wir uns beispielsweise gerne von den Features des Nachfolgemodells unseres Smartphones begeistern und zum Kauf desselben überzeugen (überreden). Und das, obwohl es unser ‘altes’ noch völlig tut. Fakt ist, das niemand vor dem sogenannten Persuasions-Effekt gefeit ist.
Bei deinem Vortrag kannst du dich dieses Stilmittels selbstverständlich bedienen. Behalte dabei aber – bildlich gesprochen – die Kirche im Dorf. Sobald du zu sehr auf die Tube drückst und dein Publikum merkt, dass du sie zu einer Entscheidung hin überreden möchtest, dann stösst du höchstwahrscheinlich auf Abneigung. Du vermittelst den Eindruck, dass du a) überheblich bist, b) dein Publikum für dumm verkaufst und c) es absolut nötig hast, dein Kernthema an den Mann, beziehungsweise die Frau zu bringen.
Das musst du dir vor Augen halten, wenn du dein Publikum in eine Richtung bewegen möchtest. Das Überreden muss keine laute, vehemente Form der Rhetorik sein. Im Gegenteil. Die Kunst ist es, ein Bild in den Köpfen deiner Zuhörer zu malen, anhand dessen jeder einzelne «selbst» entscheidet, deinen Vorstellungen nach zu handeln.
Wenn du zum Beispiel ein neues Elektroauto vorstellst (verkaufst), dann beschreibe eine grüne Zukunft ohne Treibhausgase, ohne Smog-bedeckte Innenstädte, dafür sichere Strassen, keine Lärmbelästigung, kaum noch Verkehrsopfer dank Autopiloten und so weiter.
Den meisten deiner Zuhörer ist es wahrscheinlich bewusst, dass die derzeitige Produktion eines E-Autos alles andere als «grün» ist, dass der neue Fahrspass ein gigantisches Loch in die Haushaltskasse reisst, dass sich deshalb nur wenige an dieser grünen Zukunft beteiligen können, etc. Aber wenn keiner den Anfang macht, dann geht es nicht voran, oder? Ausserdem zeigt jeder neue Besitzer des Autos, dass ihm die Zukunft unserer Erde am Herzen liegt. Dass er etwas für die kommenden Generationen tut. Jawohl! Und dass es obendrein echt fetzt, wenn der elektrische Porsche-Killer von Null auf Hundert in unter sechs Sekunden beschleunigt.
Wenn du dich im Rahmen deines Vortrags der persuasiven Kommunikation bedienst, dann begibst du dich auf eine Gratwanderung. Du bewegst dich zwischen Überreden und Manipulieren. Letzteres gehört meines Erachtens definitiv zur dunklen Seite der Rhetorik und hat in einem fundierten Vortrag nichts verloren. Überreden ist OK, wenn du deinem Publikum immer genügend Entscheidungsraum lässt. Dadurch kann es zwar sein, dass du nicht jeden Zuhörer von deinem Kernthema überzeugst, doch du gewinnst als offener, faktischer und empathischer Speaker die Anerkennung des Publikums. Dir hört man gerne zu, man fühlt sich nicht bedrängt und ist somit auch eher bereit, sich zu etwas überreden zu lassen.
War dir bis dato die persuasive Kommunikation ein Begriff? Hast du vielleicht Positiv- oder Negativbeispiel dazu? Lass es mich wissen. Im Kommentarfeld ist dazu reichlich Platz.
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